Systemrelevante Berufe – Innehalten und nachdenken

Dem Pflegepersonal wurde am 20. März mit einem Applaus für den Einsatz in der Coronakrise gedankt. Das war ein schönes Zeichen und tat gut, doch es genügt nicht. Die Arbeitsbedingungen für Pflegende und für andere systemrelevante Bereiche müssen dringend verbessert werden. Leider ist die finanzielle Entschädigung der meisten Beschäftigten – mehrheitlich geht es um Frauen – in den Bereichen Pflege, Betreuung, Schule, Soziales und Kleinkinderbetreuung (KITA) alles andere als rosig. Die Löhne sind angesichts der Ausbildungen und des Einsatzes zu gering. Der Spardruck lastet immer schwerer auf den Schultern dieser Berufsgruppen. Die Arbeit kann aber nicht beliebig effizienter erledigt werden.
Nun ergibt sich «dank» Coronakrise die Chance, darüber nachzudenken, wieviel uns die Dienstleistungen all dieser systemrelevanten Berufe wirklich wert sind. Wollen wir wirklich, dass die Frage nach Wirtschaftlichkeit gegenüber den medizinischen, pädagogischen und gesellschaftlichen Aspekten immer mehr Gewicht erhält? Ich möchte das nicht. Wir müssen die Diskussion führen, welche Dienstleistungen für uns wertvoll sind und fair bezahlt werden sollen. Ich glaube, dass sich die momentane Sparstrategie als Bumerang erweisen wird.
Ich wünsche mir, dass wir Worberinnen und Worber innehalten und nachdenken. Welcher Service Public hilft der breiten Bevölkerung und insbesondere den Schwächsten unter uns? Die Menschlichkeit und Stärke einer Gesellschaft zeigt sich nicht zuletzt daran, wie sie mit den schwächsten Mitgliedern umgeht. So steht es in unserer Bundesverfassung. Denken wir daran, wenn wir in den kommenden Wochen und Monaten abstimmen gehen und Politikerinnen und Politiker wählen.

Myriam Gerber-Maillefer
Pflegeexpertin und Mitglied Grüne